Zur Person

Der gebürtige Brandenburger Michael Succow ist einer der renommiertesten Naturschützer Deutschlands. Insbesondere auf dem Gebiet der Moor-Ökologie hat sich der Biologe und Agrarwissenschaftler einen internationalen Ruf erarbeitet.

1997 wurde Michael Succow für sein Engagement zum Schutz der Natur mit dem Alternativen Nobelpreis geehrt, mit dessen Preisgeld er die Michael-Succow-Stiftung zum Schutz der Natur errichtete.

Beinahe fünfzehn Jahre war Michael Succow Mitglied des Stiftungsrates des NaturSchutzFonds Brandenburg.


Ihre Ansprechpartner

Michael Zauft & Dr. Holger Rößling
Projektleitung
Tel: (0331) 971 64 868/ -862
kalkmoore(at)naturschutzfonds.de



"Neue Moore braucht das Land!"

Prof. em. Dr. Michael Succow - Michael Succow Stiftung zum Schutz der Natur
Träger des Alternativ-Nobelpreises


Professor Dr. Michael Succow

Seit meiner Kindheit hier in Ostbrandenburg faszinieren mich in besonderer Weise naturnah erhaltene Moorlandschaften: Ihre Eigenart und Schönheit, Stille, Weite, Einsamkeit, Ursprünglichkeit, aber auch das Nachdenken über ihr Werden, ihre Entstehung, ihre Lebensfülle mit den eingepassten Pflanzen- und Tierarten. Ich hatte das Glück und die Möglichkeit, mich seit nunmehr fast 50 Jahren intensiv mit Moorlandschaften auseinander zu setzen, sie zu erforschen in ihrer Vegetationsstruktur und Tierwelt, ihrer Genese, ihren Funktionen im Landschaftshaushalt, ihrer menschlich bedingten  Abwandlung, ihrer Nutzung. Schließlich konnte ich mich zunehmend für ihren Schutz, ihren Fortbestand einsetzen, in Ostdeutschland, in Europa und nun in den verschiedensten Teilen der Welt.


"Interglazialer Irrtum"

Fieberklee

Ich gehöre zu einer Generation, in deren Kindheit noch extensiv genutzte Moorwiesen das Landschaftsbild prägten. Es waren historisch gewachsene Kulturlandschaften, die sich durch Schönheit, Mannigfaltigkeit und Nützlichkeit auszeichneten. Es waren wunderschöne Blumenwiesen mit ein- oder zweischüriger Mahd, nur mäßig entwässert, voller Orchideen, mit Trollblumen und Schlangenknöterich, mit Fieberklee und Sumpfdotterblume, mit Frosch und Kröte, mit Kiebitz und Bekassine, mit Wachtelkönig und Brachvogel. Dann, ab Mitte der 1960-er Jahre erlebte ich hautnah die Komplexmelioration unserer großen Niedermoore, den großen „interglazialen Irrtum“, wie wir es heute einschätzen müssen. Es ging um die Realisierung von Höchstertragskonzeptionen, befohlen von der Partei, ausgedacht von Wissenschaftlern, vorangebracht durch Funktionäre, projektiert durch Ingenieure und umgesetzt in den großen volkseigenen Meliorationskombinaten. Ich erlebte eine industriemäßige Agrarnutzung, die all unsere ausgedehnten Niedermoore erfasste. Durch tief greifende Entwässerungen sollten die Moore „ausbluten“, um so die schwere Agrartechnik tragen zu können, Voraussetzung für „hoch produktives, gestaffelt nutzungsreif zu bewirtschaftendes Moor-Saatgrasland“  - so die seinerzeitige Sprache. Ein kurzer Traum, denn schon nach 20 Jahren einer Intensivnutzung kam es zum zunehmenden Verlust der „Gebrauchswerteigenschaften“ der Niedermoorstandorte. Vermullung setzte ein, als Ergebnis grundlegender physikalischer, chemischer und biologischer Veränderungen des Torfkörpers. Aus einst von Wasserüberschuss geprägten Niederungsstandorten wurden phasenhaft Wassermangelstandorte, in denen ungebremst Prozesse des Moorschwundes, der Selbstauflösung abliefen. 

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"Funktionstüchtigkeit der Moore im Naturhaushalt wieder herstellen"

Torf - wichtiger Kohlenstoffspeicher

Nun erst begannen mehr und mehr Menschen zu begreifen, intakte Moore haben vielfältige Funktionen im Naturhaushalt zu erfüllen. Wir können ihre Vernutzung, d.h. ihre Entwässerung mit der Umkehrung von einem Akkumulationsökosystem zu einem Freisetzungsökosystem, nicht ungestraft hinnehmen. Seit ca. 20 Jahren werden nun Moorschutzprogramme weltweit in Angriff genommen, umgesetzt. Ging es in Deutschland in den 90er Jahren zunächst noch weitgehend um den Versuch der Wiederherstellung der einstigen Blumenwiesen, von extensiv zu nutzendem Moorgrünland, so haben wir inzwischen verstanden, dass es uns bei der Moorrevitalisierung vor allem darum gehen muss, die Funktionstüchtigkeit der Moore im Naturhaushalt wieder herzustellen. Das verlangt, sie wieder in wachsende, Torf speichernde Ökosysteme zurückzuführen. Nunmehr ist begriffen, dass intakte Moore aktuell die bedeutendsten CO2-Speichersysteme des Festlandes unserer Erde sind. Sie bedecken nur 3 % der Landfläche unseres Planeten, speichern dabei aber 30 % des terrestrischen Kohlenstoffs!

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Ruhlsdorfer Bruch - eines der Projektgebiete

Mit dem gewonnenen Verständnis über Funktion und Funktionstüchtigkeit von Moorökosystemen im Landschaftshaushalt muss es uns heute einerseits darum gehen, weltweit alle noch nicht anthropogen stärker beeinträchtigten Moore unabdingbar in ihrem Naturzustand zu erhalten. Andererseits sind auf den bislang durch Entwässerung veränderten Mooren Revitalisierungen, d.h. Wiedervernässungen vorzunehmen, soweit dazu noch ausreichend Wasser aus der Landschaft zu Verfügung steht. Bei Bedarf sind des weiteren auf diesen wieder vernässten Mooren Nutzungsformen zu etablieren, die die Funktionstüchtigkeit der Moore als akkumulierende Ökosysteme sichern. Das geht nur in semiaquatischen Ökosystemen, den sogenannten Paludikulturen, also Formen der Moornutzung, die im letzten Jahrzehnt insbesondere am Greifswalder Institut für Botanik und Landschaftsökologie entwickelt wurden. Die Abschöpfung der oberirdischen Biomasse, bei unterirdisch ungefährdet weiter stattfindender Torfspeicherung, dürfte eine bedeutende Zukunftsoption im Sinne einer dauerhaft umweltgerechten Landschaftsnutzung darstellen. Aus all diesen Erkenntnissen heraus werden in Deutschland seit ca. 10 Jahren Moorschutzkonzepte vorangetrieben, umgesetzt.

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"Wandel in der Landnutzung, in der Beurteilung des Wertes"

Das Bollwintal aus der Luft

Ganz sicher hat diesbezüglich das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern eine Führungsrolle. Einige Zehntausend Hektar Niedermoore wurden bereits wiedervernässt, entwickeln sich in unterschiedlicher Geschwindigkeit zu wieder Torf speichernden Ökosystemen mit Entfaltung einer ungeahnten Biodiversität. Das zeigt sich besonders auffallend bei den plötzlich in großer Zahl hier rastenden und insbesondere auch brütenden Sumpf- und Wasservogelarten. Bei diesen sich neu etablierenden Moorstandorten handelt es sich zunächst um Überflutungs- und Verlandungsmoore mit einer hoch produktiven Vegetationsdecke aus Schilf-, Rohrglanzgras-, Wasserschwaden oder Rohrkolbenröhrichten bzw. Großseggenrieden aber auch Erlenbruchwäldern, durchsetzt von polytrophen, organismenreichen Flachgewässern. Im Rahmen von weltweiten Klimainitiativen werden gegenwärtig in mehreren Ländern unserer Erde Moorrevitalisierungen in großem Maßstab in Angriff genommen. Zu nennen sind hier insbesondere Weißrussland, aber auch China. Auf diesen „neuen Mooren“ werden ökologische, ökonomische und auch soziale Erfordernisse unserer Zeit beispielhaft zusammengeführt. Es ist schon ungewöhnlich, in nur einem Menschenleben einen derartigen Wandel in der Landnutzung, in der Beurteilung des Wertes, des Nutzens eines Naturraumes, zu erfahren! Ich kann nur wünschen, dass nun auch in Brandenburg beim Umgang mit den großen Niedermooren eine Neuorientierung erfolgt. Das in diesem Land so beispielhaft und erfolgreich durchgeführte „Waldmoor-Programm“ und das gerade begonnene Schutzprogramm der Braunmoosmoore dürften eine gute Basis sein, nun auch den großen Niedermooren wieder eine Perspektive zu eröffnen.

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"Dank an die Moorforscher und –schützer"

Zum Erfahrungsaustausch in Polen

Mögen Begegnungen mit Mooren nicht nur Sorge, sondern zunehmend auch Beglückung und Freude auslösen. Mein Dank gilt vor allem den vielen ausgezeichneten Moorforschern und –schützern dieses Landes, die mit hohem wissenschaftlichem Sachverstand, aber auch in Verantwortung und tiefer Liebe zu den Mooren tätig sind, die entscheidend mithelfen, den Mooren ihre wichtige Rolle im Landschaftshaushalt wieder zurück zu geben. Denn, wie schon eingangs formuliert: „Neue Moore braucht das Land!“. Geben wir unseren Mooren wieder Raum und Zeit, um zu wachsen, zu speichern, Lebensfülle zu entfalten um ihrer und unserer selbst willen!

Greifswald, im Januar 2010

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